Illustration: Hanna Girard
Zweiter Advent! Das heisst, noch zwei Wochen Zeit, um Geschenke zu kaufen, Kärtchen zu schreiben – nur um dann am Morgen vor Heiligabend trotzdem in der Stadt rumzurennen, weil wie jedes Jahr etwas vergessen geht.
Meine Grosseltern haben dieses Problem nicht: Alljährlich schenken sie jedem Haushalt der Familie einen selbst zusammengestellten Fotokalender mit Bildern aller Familienmitglieder. Auch wenn sie weder Digital Natives sind noch grosse Insta-Foto-Skills aufweisen, gelingen ihnen die abgesehen von einigen bis zum Verpixeln vergrösserten Bildern erstaunlich gut.
Das einzige Problem ist es, den Überblick zu behalten. Für jene, die in den vergangenen Monaten eine Trennung durchgemacht haben, wird das Geschenkeauspacken zur Lotterie. Mit acht Enkelkindern, die bei Familienessen durchs Jahr hindurch jeweils ihre aktuellen Freund*innen mitschleppen, geschieht es garantiert jedes Mal, dass ein*e Ex auf dem neuen Kalender zu sehen ist.
Denn wo werden schon so viele Fotos gemacht wie bei Familienessen. Eine Gegenstrategie wäre es natürlich, offensiv und regelmässig Fotos von sich, die man im Kalender haben möchte, den Grosseltern per WhatsApp zu schicken. Für das nächste Jahr nehme ich mir das jedenfalls vor.
Für jetzt bleibt mir nur das Warten bis zur Enthüllung des neuen Kalenders an diesem Weihnachtsfest. Denn sind nicht mehr aktuelle Partner*innen auf den Fotos, kann das schon zu unangenehmen Situationen führen, wenn neue Bekanntschaften den Kalender sehen.
Ich spreche aus Erfahrung. Meine Mutter, die nebenan stand, als meine damalige Freundin und ich – relativ frisch kennengelernt – den Kalender durchblätterten und auf ein nicht mehr aktuelles Foto stiessen, reagierte cool und meinte: «So ist das Leben halt». Mir war es trotzdem peinlich. Heute ist selbst dieser Moment zur schönen Erinnerung geworden.
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