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  • AutorenbildJuno Peter

Von weihnachtlichen Revolutionen und Histaminen

Ein feuchtfröhlicher Kommentar zur Weihnachtszeit.

Illustration: Pia Zibulski

Die Vorweihnachtszeit. Der Countdown zum 24. Dezember ist in vollem Gange und das einzige, was mich auch nur im Entferntesten daran erinnert, dass bald das Fest der Liebe und Güte gefeiert wird, sind die permanenten Weihnachtsapéros, die Christmas-Sale-E-Mails in meinem Spam Ordner und die Einladungen zum Samstagabend-Glühwein-Trinken auf dem völlig überfüllten Weihnachtsmarkt. Glühwein, den ich dank meiner Histamin-Unverträglichkeit auch nicht mehr geniessen kann, ohne danach so richtig feierlich abzukotzen.

Einige von euch werden jetzt denken; aber hey, abgesehen von Glühwein kann man auf dem Weihnachtsmarkt auch andere Dinge trinken. Da habt ihr natürlich Recht! Zum Beispiel gibt’s ja auch noch heisse Schokolade mit Baileys oder Apfelpunsch. Dazu noch diverse alkoholfreie Getränke, aber wenn ich schon mit Hunderten anderen Menschen in der Kälte herumstehen muss, dann wenigstens leicht berauscht. Ich hätte also genügend Alternativen. Aber ich wäre ja nicht ich, wenn mich nicht auch von diesen Optionen etwas abhalten würde. Es ist so: Heisse Baileys-Schokolade wird mit Milch gemacht und ich als brave, umwelt- und schuldbewusste Millennials-Dame nehme keine Milchprodukte zu mir (for the environment, you know). Und zum Apfelpunsch: Schon beim blossen Gedanken an dieses überzuckerte Gesöff bekomme ich Karies. Dann doch lieber einen bitteren Tee mit Rum. Vertrage ich zwar auch nicht wirklich, aber wer trinken will, muss leiden. Oder wie ging das Sprichwort nochmal?


So ist das nun einmal, wenn man sich als Jungmensch mit Unverträglichkeiten und idealistischen Vorstellungen, welche die Lebensmittelauswahl einschränken, im Rahmen der festlichen Aktivitäten -auf gut Deutsch gesagt- die Kante geben will.

Ach, wie schön die Weihnachtszeit doch ist.

Nur weil bald Weihnachten ist, muss man sich ja nicht unbedingt betrinken. Jedoch fällt es mir so leichter diesen ganzen Trubel auszuhalten, denn irgendwie ging meine Freude an diesem Fest in den letzten Jahren immer mehr und mehr verloren. Einerseits liegt es wohl einfach daran, dass ich erwachsen geworden bin und ich sehe wie viel Arbeit solche Feste bedeuten. Andererseits kotzen mich all diese gesellschaftlichen Erwartungen und Zwänge einfach an. Du musst gefühlt jeder Person, die du jemals getroffen hast, ein Geschenk machen, einfach, weil man das halt so macht. Und wenn du da nicht mitmachen willst, sondern nur wegen des Essens und den gratis Getränken zu dieser “White Elephant"-Party gehst, bist du eine Spielverderberin mit einem Alkoholproblem.


Generell habe ich nichts gegen diesen Christmas-Hype. Ich finde es wunderschön nachts um 23:00, wenn all die geschäftigen Arbeiter- und Büro-Bienchen schon brav in ihren Bettchen ruhen, um am nächsten Morgen ausgeschlafen zum nächsten Geschäftsapéro zu rennen, durch die weihnachtlich beleuchtete Freie Strasse zu spazieren. Auch Heiligabend bei meinen Eltern finde ich wirklich schön. In diesen Momenten scheint die Welt in Ordnung zu sein. Wenn auch nur für ein paar Stunden, denn nach dem Essen und dem Quatschen über die Zukunft, das Leben und weshalb ich noch immer die einzige in meiner Familie ohne feste Partnerin oder festen Partner bin, freue ich mich doch auch wieder in den Zug nach Basel zu steigen, um den Rest des Abends mit Freunden in deren Atelier Averna, Gin und billigen Wein zu trinken. Dieses Jahr natürlich ohne den Wein, wegen der Histamine. Ist ja klar.


Ich glaube, dass ich, sowie die meisten anderen in unserer Gesellschaft, den eigentlichen Grund warum wir dieses Weihnachtsfest überhaupt feiern, aus den Augen verloren habe. Ging es da nicht mal um Nächstenliebe, Gemeinschaft und den Geburtstag dieses Typen, dem Dave Grohl von den «Foo Fighters» zum Verwechseln ähnlich sieht? Klingt ja alles sehr schön, aber wollen wir überhaupt dahin zurück? Früher war es ja doch nicht so toll, wie alle immer behaupten. Aber Weihnachten heute grenzt schon fast an Blasphemie. Es ist die perfekte Möglichkeit unsere Konsumgeilheit mal so richtig ausleben zu können und unser Geld für Dinge auszugeben, die wir nicht brauchen. Und das alles ohne uns schlecht fühlen zu müssen, denn es ist ja schliesslich Weihnachten, das Fest der Liebe.

Es ist gelebter Kapitalismus in seiner reinsten Form und wir mitten drin, verloren zwischen den Sonderangeboten zum Black Friday, den drohenden Klimakatastrophen und der Sorge, was man der neuen Freundin des Bruders zum ersten gemeinsamen Fest schenken soll. Warum das ganze? Wozu dieser Stress? Wir sollten einfach das ganze Konzept Weihnachten umstürzen und einen neuen Feiertag einführen. Einen ohne Geschenke dafür mit umso mehr Essen und Alkohol für alle! Das wär`s.


Da mir jedoch die Energie und die Zeit fehlt, jetzt noch eine Revolution anzuzetteln, die die ganze kapitalistische Kommerz-Kacke rund um Weihnachten zum Einsturz bringen könnte, trinke ich doch lieber zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen einen abscheulichen Kräutertee mit Rum und friere mir dabei den Arsch ab. Da kommt, bei mir zumindest, mehr Weihnachtsstimmung auf als bei der Geschenkorgie an Heiligabend. Denn was verbindet einen mehr als ein gemeinsamer Rausch und gegenseitige, durch Gin motivierte Liebeserklärungen? Das ist Nächstenliebe nach meinem Geschmack. Und ein paar Promille lassen einen die Sorgen doch ganz gut vergessen, wenn auch nur bis der Kater einsetzt.

Vielleicht klappt es ja nächstes Jahr mit der vorweihnachtlichen Revolution und der Stürzung des Patriarchats. Die stehen jedenfalls ganz oben auf meiner Liste mit den guten Vorsätzen fürs neue Jahr.

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten und prost miteinander.

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