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  • AutorenbildJuno Peter

Am I Studentin yet?


Illustrationen: Pia Zibulski

Es ist wieder soweit: Nach einem relativ ruhigen Sommer heisst es nun “willkommen in der zweiten Welle!”. Wie ihr wahrscheinlich mitgekriegt habt, befinden wir uns in einer ähnlichen Situation wie im März und der Ort, an dem wir uns nun wieder hauptsächlich aufhalten werden, ist das eigene, traute Heim. Hier in Deutschland sind die Bestimmungen nochmal etwas schärfer als in der Schweiz. Jegliche kulturellen Veranstaltungen, die meisten Cafés, Bars und im Grunde alles ausser den “notwendigen” Dingen wurden abgesagt und geschlossen. Mehl und Trockenhefe sind bereits seit Wochen ausverkauft und Klopapier ist pro Einkauf auf eine Packung limitiert, was den Hamsterkäufen entgegenwirken soll, jedoch in unserem Fünf-Personen-Haushalt zu etlichen Einkaufs-Gängen führt. Der Lockdown 2.0 in voller Pracht.


Ich muss zugeben, dass mich dieser Lockdown nicht ganz so stark beunruhigt wie der letzte, denn dieses Mal habe ich etwas zu tun. Seit kurzem bin ich nun nämlich Studentin. Nachdem nun die ersten paar Wochen des Studentinnen-Daseins überstanden sind, habe ich mir einen kurzen Moment Zeit genommen, um das Erlebte Revue passieren zu lassen, zu reflektieren und bin dabei zu dem Schluss gekommen, dass ich absolut keine Ahnung habe, was ich hier eigentlich tue und was das Ganze soll.


Irgendwie fühle ich mich absolut nicht als Studentin, sondern eher wie eine Arbeitslose ohne Einkommen, die von irgendwelchen Akademiker*innen auf einem Bildschirm Texte zu lesen kriegt und sich Notizen dazu machen soll. Ich habe mir vieles unter dem Student*innenleben vorgestellt, aber definitiv nicht das, was ich hier gerade erlebe. Alle schwärmen immer davon, was sie alles während ihrer Studienzeit erlebten, welch tolle Freundschaften sie schlossen und was für wilde WG-Parties sie feierten. Und wir?


Millennials und Generation Z sitzen den ganzen Tag zuhause vor dem Laptop, backen Brot und probieren irgendwie miteinander in Kontakt zu kommen, was sich natürlich schwer gestaltet, wenn man sich mit maximal zehn Menschen aus nicht mehr als zwei Haushalten treffen darf und jegliche Hangout-Places in der Stadt geschlossen sind.

Da ist es kein Wunder, dass spazieren gehen hier zur Zeit zum Volkssport wird. Viele andere Optionen gibt es ja nicht. Kein Rumhängen an der Universität, keine Vorlesungssäle und keine Bibliotheksaufenthalte. Es ist frustrierend. Wie soll da auch irgendein anderes Gefühl entstehen?


Mein Alltag besteht aus Online Seminaren, asynchronen Vorlesungen und Spaziergängen. Stundenlangen Spaziergängen, jeden Tag. Anstatt meine Zwanziger zu geniessen und “the time of my life” zu haben, wie es mir mein Umfeld prophezeit hatte, fühle ich mich gerade eher wie eine arme Seniorin, die nichts besseres zu tun hat und deshalb den ganzen Tag durch die Natur der Umgebung streift. Einen Vorteil hat es jedenfalls: dafür, dass ich erst seit einem Monat hier lebe kenne ich das Umland rund um Hildesheim bereits äusserst gut.


Trübsal blasen bringt aber auch nichts. Wir versuchen das beste daraus zu machen und ich probiere neue Strategien zu entwickeln, um das Studi-feeling auflodern zu lassen. Meine neuste Idee: beim nächsten Spaziergang meine Wasserflasche einfach mit einem hausgemachten Amaretto Sour oder Averna befüllen, anstatt mit Wasser. So verfliegt das Seniorinnen-Gefühl bestimmt in Windeseile.



Vielleicht bin ich aber doch schon studentischer als ich dachte. Ich nutze das Schreiben dieser Kolumne nämlich gerade als Ausrede, um nicht an meinen Uni-Texten zu arbeiten ‒ und was ist schon studentischer als Prokrastination?


In diesem Sinne: Prosit!

Oder wie die Wander- und Spaziergang-Community so schön sagt:

Frisch auf!


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