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AutorenbildMax Kaufmann

Waldbrand statt Selbstinszenierung: Instagram kann auch anders


Illustration: Pia Zibulski


Es gibt Instagram-Stories, die ich mittlerweile nicht mehr sehen kann. Schwarz-weisse Spiegel-Selfies beispielsweise, die mit Billie Eilishs “idontwannabeyouanymore“ unterlegt sind und die Lyrics entweder als kryptische Botschaft inszenieren oder zur Dekoration verkommen lassen. Am schlimmsten sind Geburtstagsglückwünsche an Freund*innen, die anscheinend so geliebt werden, dass eine Story nicht reicht, sondern sämtliche gemeinsamen Bilder der letzten fünf Jahre geteilt werden müssen. Aber auch Kameraschwenks über den Küchentisch, auf dem zwischen Türmen aus leeren Anker-Bierdosen der Aschenbecher überquillt, halte ich nicht mehr aus. Genauso wie Boomerangs, in denen die Korken von Billig-Prosecco in Dauerschleife vom Balkon schiessen, weil solche Stories in einer ewigen Konkurrenz darum ankämpfen, wer den aufregendsten und fröhlichsten Freitagabend verbrachte. Und generell jede Story, die im «Unternehmen Mitte» aufgenommen wird, erinnert mich traurig daran, dass die gemütlichen Zug-Abteile im Fumoir unwiderruflich für immer weg sind.


Nicht dass ich das alles irgendwie besser machen würde. Instagram kann aber auch anders. Anders als: «Kommt, stopfen wir in der stillen Erwartung, dass jemand auf unsere Story reagiert, so viel Glück und Freude wie nur möglich in unsere Feeds.» Es fing mit «Je suis Charlie» an. Dann kam die Notre Dame, der Amazonas. Jetzt Australien. Awareness-Posts überall. Meistens ohne den Unterschied zu vergessen, ob eine Kirche oder ein Kontinent brennt.


Denen, die Awareness-Posts teilen und so ein wenig Ernsthaftigkeit zwischen Spiegel-Selfies und die inflationär häufigen Werbeunterbrechungen streuen, wird trotzdem Blauäugigkeit vorgeworfen: Ein für Koalas gespendeter US-Dollar pro Repost klingt verlockend – mit Instagram die Welt retten ist aber leider zu schön, um wahr zu sein. Ja, Instagram ist ein Wettbewerb um Aufmerksamkeit. Die Unterstellung, dass Awareness-Posts reine Selbstinszenierung sind, ist trotzdem unglaublich dreist.


Tatsächlich besteht aber die Gefahr, dass Missverständnisse entstehen. Beiträge, die darauf aufmerksam machen, dass wegen der Feuer in Australien über eine Milliarde Tiere verendet sind, sehen sich plötzlich von Posts konkurrenziert, die betonen, dass eine weit grössere Zahl in Massentierhaltung für unseren Konsum getötet wird. Stimmt natürlich. Aber kämpft ihr nicht im Grunde für dasselbe Anliegen?


Beide Haltungen zeigen nämlich, dass Instagram auch anders kann. Die Selbstinszenierung ist momentan auf Halbmast gesetzt – das Soziale Netzwerk trauert, scheint es mir. Oder noch besser: es wird wütend. Alles andere wäre verlogen.

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