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  • AutorenbildClaire Flury

Ferien in der eigenen Stadt – Jugendherberge St. Alban

Erinnerungsfetzen von Klassenlagern oder den ersten Ferien ohne Eltern ziehen jeweils an meinem inneren Auge vorbei, wenn ich an Jugendherbergen denke. Normalerweise eher eng, laut, nicht übermässig sauber, mit dem einzigen Vorteil günstig und im besten Fall zentral gelegen zu sein, rufen diese in mir gemischte Gefühle hervor. Trotzdem boten sie stets gute Alternativen zu den teuren Hotelbetten und den sozial problematischen Airbnbs.

Je länger je mehr, wandelt sich das Bild der muffigen Massenschläge zu modernen Hostels, die nun auch gerne von älteren Menschen, Personen mit etwas grösserem Portemonnaie oder sogar Familien gebucht werden.



Lange gehörte auch die Jugendherberge St. Alban zum traditionellen Schlag. Gelegen am St. Alban-Teich, diente das Haus ab 1851 als Fabrikgebäude der Seidenbandfirma «Sarasin & Co». Die klasssizistische Fabrikhalle galt mit seinen grosszügigen und hellen Arbeitssälen zu jener Zeit als Musterbau der Seidenbandfabrikation. Rund 130 Jahre später, stand die «Rote Fabrik» durch die Einstellung der Bandproduktion vor dem drohenden Abbruch. Die damalige Jugendherberge Basel befand sich zu dieser Zeit als Zwischennutzung in einer Villa der Christoph Merian Stiftung, wo der temporäre Mietvertrag auslief. Auf der Suche nach einem neuen Zuhause für die Herberge und einem erfolgslosen Vorstoss für einen Neubau, sprang die Christoph Merian Stiftung erneut für den Verein in die Bresche. Sie konnte die architekturgeschichtlich relevante Fabrik erhalten und der Jugendherberge Basel einen neuen Standort an bester Lage bieten. Das Gebäude wurde daraufhin 1979 komplett ausgehöhlt. Von der ursprünglichen Bausubstanz blieben einzig der Färberkeller sowie die geschichtsträchtige Fassade bestehen.



Schliesslich beauftragte die Stiftung im Jahr 2009 das Architekturbüro Buchner Bründler mit einem weiteren Um- und Anbau. In die Jahre gekommene Massenschläge gehören nun der Vergangenheit an. Mit viel Sensibilität für den Ort und seine industrielle Vorgeschichte gelang es, den alten Charme beizubehalten und mit zeitgenössischen Elementen zu verbinden.



Neu ist der Bau über den Maria-Sacher-Platz erschlossen. Über den St. Alban-Teich führt nun eine Brücke, die sich in Form eines Holzsteges der ganzen Längsseite entlang zieht. Zusammen mit den Eichenlamellen am Erweiterungsbau bilden die Einheiten eine hölzerne Klammer um den Altbau und schaffen so eine Verbindung zur Natur. Die historische Fassade wird nur von einem modernen Element unterbrochen: Im Westen ragt eine Fensternische zur Strassenseite hinaus und schafft so einen Dialog zwischen dem Innern und Äussern. Man kann sich gut vorstellen, wie dort Bücher gelesen oder eine kleine Pause vom Sightseeing eingelegt wird.



Einmal durch das Portal geschritten, findet man sich in einem weiten Raum wieder, der von der Rezeption bis zum Speisesaal reicht. Die Gebäudestruktur mit den Gewölben des Färberkellers wird hier besonders schön sichtbar. Mit der aus Beton gegossenen Bar und den wenigen aber bewusst platzierten Jean Prouvé Möbeln stellt sich ein Gefühl befreiender Leere und Offenheit ein.

Nicht nur in der Lobby, sondern im ganzen Haus wurde eine rohe und robuste Materialisierung angestrebt. So sind nebst Sichtbeton vor allem auch Eichenholz, unverputztes Mauerwerk sowie roher Stahl zu finden. Alles Materialien, die auf die industrielle Vergangenheit verweisen und mit dem Gebäude mitaltern.

In die Obergeschosse, wo sich die Zimmer befinden, gelangt man über ein Treppenhaus aus rohem, geschweisstem Stahl. Die einzelnen Schlafeinheiten sind genauso vielfältig wie die Bedürfnisse der Gäst*innen selbst. So sind nebst den klassischen Mehrbettzimmern auch Doppel- und Einbettzimmer vorhanden. Insgesamt verfügt die Herberge somit über 234 Schlafplätze in spartanisch aber gleichwohl hochwertig ausgestatteten Zimmern.



Mit etwas Glück kann man in einem der Eckzimmer des Annexbaus übernachten. Dieser gleicht durch die deckenhohe Verglasung, welche alternierend angelegt ist, einem Kaleidoskop, das die grüne Umgebung spiegelt. Die hölzernen Lamellen tragen zudem zu mehr Privatsphäre bei.

Dank diesem offenen Bezug zum Aussenraum erhält man als Besuchende das Gefühl hoch oben in einem Baumhaus, fernab der Stadt, dem Bach und den Vögeln zu lauschen.

Die Atmosphäre im Innern wird gleichermassen durch diese spezielle Lichtstimmung als auch dem hochwertigen und simplen Interieur geprägt. Radikales und minimales Design führt zu maximalem Komfort und Funktionalität.



Diese einmalige Atmosphäre lässt sich besonders auf der Terrasse im Erdgeschoss erleben. Scheinbar mitten in der Natur, lädt diese zum idyllischen Frühstücken oder Kaffee trinken ein.

Wer von dort die Stadt Basel entdecken möchte, merkt schnell, dass die Lage eine der besonderen Vorzüge der Jugendherberge darstellt. So ist es nicht mehr weit bis zu den wichtigsten Kulturinstitutionen sowie der Innenstadt. Auch bis zum Rhein sind es nur wenige Schritte, wo die Wild Maa-Fähre schon auf eine Mitfahrt wartet.


Die Verwandlung des ehemaligen Industriegebäudes in eine Schlafstätte für Gäst*innen aus der ganzen Welt überzeugt vor allem mit der, durch den letzten Umbau beibehaltenen, Einfachheit und ausgesprochen grossen Funktionalität. Nicht nur für Auswärtige, sondern auch für Basler*innen bietet die Jugendherberge St. Alban ein ideales Refugium, um die eigene Stadt neu zu entdecken und sich wortwörtlich wie zuhause zu fühlen.


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