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  • AutorenbildHanna Girard

Viral. x JKF: «Ich will nicht gefallen. Ich will sagen, was ich zu sagen habe.»

Caterina John ist 21 Jahre alt und Slam Poetin. Seit 2013 steht sie auf kleinen und grossen Bühnen in der Schweiz und thematisiert dabei Feminismus, Gleichstellung oder die Stereotypen und Vorurteile, die wir alle mit uns herumtragen. Nun tritt die Baselbieterin am Samstag, den 4. September, im Rahmen des Basler Jugendkulturfestival auf. Zeit für ein Gespräch.


Hanna Girard


© Soraya Koefer

Hallo liebe Caterina! Wo erreicht dich mein Zoom-Call gerade?

Mitten in Italien in einem kleinen Dorf. Meine Cousine hat gestern geheiratet. Ich bin darum immer noch ein bisschen müde. Aber schiess los.


Du hast dich mit knapp dreizehn Jahren in den Poetry Slam verliebt. Warum? Schon als kleines Mädchen habe ich so getan, als würde ich schreiben, obwohl ich es gar noch nicht konnte. Mein grosser Traum war immer, einmal Schriftstellerin zu werden. Als die Slam Poetin, Autorin und Schauspielerin Daniela Dill in unsere Klasse kam und uns gezeigt hat, was Poetry Slam ist, wusste ich: So komme ich meinem Traum ein Stück näher.


Und bald darauf folgte auch schon dein erster Auftritt..

Ja, das war wirklich sehr speziell. Ich war knapp 13-jährig und mit Abstand die jüngste. Meine Beine haben gezittert und musste zuerst ein “Angstbisi” machen. Mein Text drehte sich um die Geschichte eines Gartenzwergs aus Seltisberg. Er war nicht wirklich gut, aber weil meine ganze Klasse da war und alle für mich gevotet haben, habe ich trotzdem gewonnen. Das war mir verdammt peinlich.


Ist Poetry Slam dein Ventil? Naja, es sind einfach meine fünf Minuten, in denen ich sagen kann, was ich will. Jene fünf Minuten, in denen mir alle zuhören müssen. Und danach ergeben sich meistens noch Diskussionen. Das mag ich.


 
zvg

Über Caterina John:


Caterina John kam in Bubendorf im Baselbiet zur Welt und ist heute 21 Jahre alt. Schon früh träumte sie davon, Schriftstellerin zu werden und verliebte sich knapp 13-jährig in den Poetry Slam. Ihr erster vorgetragener Text handelte von einem Gartenzwerg in Seltisberg. Seit dem Frauenstreik 2019 drehen sich die Texter der jungen Baselbieterin um Themen wie Feminismus, Gleichstellung und gesellschaftlichen Problemen. Caterina John ist 2019 an den U-20 Meisterschaften in Luzern und Erfurt (DE) angetreten und ist seither auf diversen kleineren und grösseren Bühnen in der Schweiz unterwegs. Monatlich veröffentlicht sie ihre Kolumne in der Oberbaselbieter Zeitung.







 


Du warst am Frauenstreik 2019 in Liestal sehr aktiv. Du hast mit einer Frauengruppe Post-Its verteilt: Sätze wie “niemand steht auf Stereo-Typen, auf Stereo-Typinnen auch nicht” oder “das Leben ist kein Theater, Schluss mit den Geschlechterrollen”, standen darauf. Was für einen Stellenwert haben die Themen Feminismus und Gleichberechtigung für dein Schaffen? Der Frauenstreik 2019 war tatsächlich eine Art Wendepunkt für mich und für meine Texte. Ich hatte lange das Gefühl, lustig sein zu müssen, weil lustige Texte in der Regel erfolgreicher sind. Ich wollte auch lustig sein und gefallen. Aber damit ist Schluss. Jetzt sind meine Texte aktivistischer, ich sage was ich zu sagen habe, lege meinen Finger auf Wunden und dabei steht Feminismus und Gleichstellung häufig im Zentrum.


Warum?

Weil ich eine junge Frau bin. Überall in meinem Leben erfahre ich Sexismus: sei es in der Slam-Szene, an der Uni oder in der Arbeitswelt. Ich habe genug davon. Ich will darüber schreiben, darüber reden und ich will, dass die Leute hinhören. Es braucht mehr Frauen, die das Wort ergreifen.



«Chriesi», «Speckli», «Böhnli» «Teigwääreli»

Da hauen welche mit Kosenamen ganze Gerichte auf den Tisch. Die wollen keine Beziehung, was sie wollen, ist ein Fünf-Gänge-Menü.

Das ist mir alles viel zu… Zuckerwatte.

Macht aus der ganzen «Ich-liebe-dich»-Debatte einen klebrig süssen Wanna-be-Beziehungsbrei.

Das ist mir alles viel zu… Zuckerwatte.

Sieht schön aus mit rosaroter Brille, doch fällt bei Regen in sich zusammen.


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Caterina John



Welche Themen beschäftigen dich sonst noch?

Seit einem Jahr habe ich ein Mal im Monat eine Kolumne in der Oberbaselbieter Zeitung. Ich war ganz frech und habe einfach eine Mail geschrieben: «Hier bin ich, ich will für euch schreiben». In den Kolumnen thematisiere ich häufig Stereotypen. Ich nehme beispielsweise das typische Schweizerische Familienleben mit Häuschen, Garten und Hund aufs Korn. Was alle meine Texte verbinden, sei es für eine Zeitung oder für die Bühne: Ich versuche, den Finger auf gesellschaftliche Zwänge zu legen, sie zu entlarven und die Leser*innen darauf zu sensibilisieren.


Und funktioniert es?

Ja, ich denke schon. Nach meinen Auftritten führe ich meistens noch lange Diskussionen. Einmal hat eine Frau weinend den Saal verlassen, als ich vorgetragen habe, was ich als junge Frau in dieser Gesellschaft alles tragen muss, mit welchen Hürden ich leben muss. Nach diesem Auftritt habe ich wirklich viele Gespräche geführt: mit Leuten, die mich verstanden und anderen, die mich hinterfragten oder es kaum glauben konnten.



© Hanna Girard

Sag mal Caterina: Hast du Lieblingsworte?

Ja. Ich baue aus Worten gerne neue Nomen.


Wie muss ich mir das vorstellen?

Etwa so: “Das gegenseitige Pickel-ausdrücken, Näher-zueinanderrücken, das “Baby-es kratzt-mich-hinten-mittig-am-Rücken”, das Bad-mit-Duftkerzen-ausschmücken, im-Bett-frühstücken.” Sowas mag ich.


Du textest auf Hochdeutsch. Warum nicht auf Dialekt? Weil ich mich im Dialekt nicht Zuhause fühle. Ich habe in meiner Kindheit in England gelebt, rede Zuhause Italienisch, habe mit meiner Grossmutter Luzerner Dialekt gesprochen, war im Aargau daheim, in Bubendorf und jetzt in Basel. Ich wüsste gar nicht, welchen Dialekt ich überhaupt sprechen sollte. Da fällt mir Hochdeutsch schon leichter.


 
zvg

Über Poetry Slam:


Poetry Slam hat seinen Ursprung in den 1970er und 1980er-Jahren in Amerika. In einem der ältesten Jazz-Club Chicagos, “The Green Mill”, fanden erste Poetry Slam-Wettkämpfe in einem Boxring statt. Dabei traten jeweils zwei Dichter*innen gegeneinander an und versuchten, mit ihren Texten das Publikum für sich zu gewinnen. Der Durchbruch des Slams in der Schweiz folgte erst 1999, als die Schweizer Matthias Burki und Yves Thomi, die Begründer des Kleinverlages „Der gesunde Menschenversand“, nach Deutschland reisten und den Slam für sich entdeckten. Seither finden in der ganzen Schweiz regelmässig Poetry-Slam-Events und nationale Meisterschaften statt.








 

Lara Stoll, Hazel Brugger oder Laurin Buser sind Schweizer Grössen der Poetry Slam-Szene, die den Sprung über die Grenze geschafft haben. Auch sie texten auf Hochdeutsch. Spielt das mit eine Rolle, dass du dich gegen Dialekt entschieden hast? Träumst du auch von einem Durchbruch ausserhalb der Schweiz?

Ich würde auf jeden Fall nicht nein sagen, wenn es soweit käme. Ich bin einmal in Deutschland aufgetreten, in Erfurt an der U-20 Meisterschaft, und das war grossartig.


Wovon träumst du?

Dass ich mir im Alltag mehr Zeit für Schreiben nehmen kann und es nicht irgendwo zwischen Uni und Arbeit einen Platz finden muss. Und von Laurin Buser. Seit ich slamme, will ich mit ihm mal auf einer Bühne stehen.


Caterina John tritt unter vielen anderen jungen Slammerinnen und Slammern am Samstag, den 4. September, um 20:30 Uhr in der Padelhalle am JKF 2021 auf.

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