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  • AutorenbildClaire Flury

Wenn der Hintergrund in den Vordergrund rückt

Filme beeindrucken mich meist besonders, wenn nicht nur der Plot, sondern vor allem auch das Set-Design gelungen ist. Noch so gerne lasse ich mich in ästhetische oder vergangene Welten entführen und mich dabei inspirieren. Die folgenden Filme bestechen durch eine herausragende Szenerie mit architektonischen Highlights, die das Herz eines jeden Designfans höherschlagen lassen.


Mon Oncle – Jaques Tati (1958)


© Gaumont

Diese Komödie des Filmemachers Jaques Tati, der übrigens auch gleich die Hauptrolle zu spielen pflegte, ist ein absoluter Filmklassiker für Architekturfans. Der Film erzählt die Geschichte der Familie Arpel, welche aus einer Mutter mit Putzfimmel, einem Vater, dessen wichtigstes Gut das Ansehen ist, sowie deren gemeinsamen Sohn besteht. Ein weiterer Charakter sticht im Laufe des Films hervor: Es handelt sich um den Onkel des Sohnes, Monsieur Hulot, der mit der korrekten und überperfekten Lebensweise der Familie nichts anzufangen weiss.

Eingebettet ist die Story in ein überaus pittoreskes Szenenbild. Die Villa Arpel, die von Jaques Lagrange designt wurde, zeigt einen grau-weissen Kubus, in dem sich jegliche Grundformen und allerlei moderne Technik manifestieren. Das ikonische Gebäude steht wohl wie kein zweites für den technischen Fortschritt, in dem jedoch die Menschlichkeit verloren gegangen zu sein scheint. Einzig der Fischbrunnen, welcher nur für Besuch eingeschaltet wird, und die Bewohner selbst bilden einen organischen Kontrast. Genau hier setzt der Humor des französischen Filmemachers ein. Gekonnt karikiert er mit Hilfe des Protagonisten Hulots die moderne und automatisierte Welt und nimmt dabei die Familie Arpel und deren Lebensweise aufs Korn.

Le Corbusier-Anhänger*innen und Wohnmaschinen-Enthusiast*innen wird dieser Film in bester Erinnerung bleiben.


Lotte am Bauhaus – Gregor Schnitzler (2019)

© Ufa Fiction

Pünktlich zum 100-jährigen Bauhausjubiläum erschien der Spielfilm «Lotte am Bauhaus», welcher sich mit viel Charme und Emotionen an das Leben am Bauhaus annähert.

Man durchlebt mit der jungen Architektin Lotte Brendel den Aufstieg und Fall dieser einzigartigen Institution. Nicht nur die Meister Walter Gropius, Johannes Itten oder Oskar Schlemmer werden gekonnt gezeichnet, auch den Frauen am Bauhaus wird ein besonderes Denkmal gesetzt. Trotz oder gerade wegen etwas Kitsch und einer konventionellen Liebesgeschichte erhält man als architekturaffine Person einen Einblick in die lebendige und prägende Schule und es wird einem erneut eindrücklich vor Augen geführt, was diese so revolutionär gemacht hat.


The Grand Budapest Hotel – Wes Anderson (2014)


© Indian Paintbrush

Der Glanz und die Dekadenz eines Grand Hotels werden in keinem Film derart grossartig und bezaubernd bebildert wie in Wes Andersons «The Grand Budapest Hotel». Wie vom Ausnahmeregisseur gewohnt, besticht der Film durch einzigartige, meist symmetrische Aufnahmen. Prunkvoll eingerichtet und voller pastellfarbener Nostalgie wartet das altehrwürdige Gebäude darauf, wieder belebt zu werden. Die Tragikomödie ist in ihrer verschachtelten Handlung gleichermassen zuckersüss wie auch traurig und skurril. In dieser liebevollen Welt trägt sich nämlich Schauriges zu. Der Tod einer Stammgästin und ein gestohlenes Gemälde bringen den sonst so korrekten Concierge Monsieur Gustav in Schwierigkeiten, die es mit Hilfe seines Lobby-Boys Zero zu lösen gilt. Es folgen abgetrennte Finger, wilde Verfolgungsjagden und eine tiefe Freundschaft. Alles eingepackt und verschnürt in rosaroten Kuchenboxen, welche die Herzen von Designliebhaber*innen höherschlagen lassen.


Parasite – Bong Joon-ho (2019)

© CJ Entertainment

Hoch über der Stadt Seoul thront eine minimalistische Festung aus Beton und Glas, die von makellos gestutzten Büschen und Bäumen umgeben ist. Die wohlhabende Familie Park residiert hier inmitten von Designermöbeln, perfekten Früchten und noch perfekteren Fruchtschalen.

Weiter unten im Tal, in einer modrigen Kellerwohnung, teilt sich die vierköpfige Familie Kim ein Rattenloch voller Chaos, Chips und Käfern, in welchem das Highlight der spärliche W-Lan-Empfang auf der Toilettenschüssel ist. Durch einen Zufall kreuzen sich die Wege der beiden Familien und die Kims erschleichen sich nach und nach gut bezahlte Jobs auf dem Anwesen der Parks. Die Architektenvilla, in der sogar Handtaschen wie Ausstellungsstücke präsentiert sind, wird zum Schauplatz eines Klassenkampfes, in dem noch lange nicht alles so ist, wie es scheint. Dem Südkoreanischen Filmemacher Bong Joon-ho gelang mit «Parasite» einen beeindruckenden sozialkritischen Thriller in einem überaus stilvollen Ambiente, den es sich zu schauen lohnt.


A Clockwork Orange – Stanley Kubrick (1971)

© Warner Bros

Eine schrille Welt tut sich in Stanley Kubricks Meisterstück «A Clockwork Orange» auf. Nicht nur die Persönlichkeit des Protagonisten Alex ist sehr ambivalent, auch das Filmset-Design hält einige Überraschungen bereit.

Nebst der vielschichtigen Story um den gewaltbereiten Alex, seiner Gang und deren Resozialisierung, sticht das überstilisierte Interieur im 70er Jahre-Chic der verschiedenen Schauplätze hervor. Untermalt mit den Sinfonien Beethovens betritt man beispielsweise die Korova Milchbar mit ihren schwarzen Wänden und weissen Fiberglaspuppen, aus deren Brüsten Milch gezapft werden kann. Desweiteren wird man in das Zuhause eines Ehepaares entführt, welches ausschliesslich mit Designermöbel des Mid-Centurys und Space Ages ausgestattet ist. Eine weitere Augenweide des 70er-Kitsches ist das Elternhaus des Protagonisten. Fantastisch und gleichzeitig obszön wechseln sich Elemente der Pop-Art, des Mid-Centurys und Space Ages ab und bieten eine lebhafte und bunte Kulisse für die Dystopie, welche mittlerweile Kultstatus erreicht hat.

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