Es ist ein verregneter Tag Anfang Dezember. Ich bin unterwegs zu einem Treffen mit Jelïn, einem meiner Kollegen hier bei VIRAL. Er hat eine Idee für eine Reportage - er macht Fotos und ich soll schreiben. Worüber? Das WWpp – Werkraum Warteck permanentes Provisorium. Kurz, das Warteck. Wir werden euch in einer dreiteiligen Reihe hinter die Kulissen dieses Vereins mitnehmen und so einen Einblick in die Grundidee des Hauses, die Umsetzung des Zusammenlebens, und die Zukunftspläne und Wünsche des WWpp erhaschen.
Nun stehe ich also vor diesem riesigen, beige und dunkelorangen Backsteingebäude im Regen und warte auf Jelïn. Ich zünde mir eine Zigarette an und schaue mich um. Es ist still, ich bin alleine. Nur in der Schreinerei sehe ich einen jungen Mann der gerade ein Stück Holz mit einer Schleifmaschine bearbeitet. Es ist ein schönes Gebäude mit Charme. Auf dem linken Turm weht eine Flagge mit dem Frauenstreiktag-Emblem. Sympathisch.
Wenn ich Warteck höre, denke ich als Erstes an das Bier. Als Zweites kommt mir dann das SUD in den Sinn, in welchem ich in meinen Teenie-Jahren, ein paar trunkene Nächte an Partys und Konzerten verbracht habe. Mehr aber auch nicht. Wenn ich Leute in meinem Alter (um die zwanzig) frage, was sie mit dem Warteck verbinden, sagen sie entweder genau das gleiche wie ich, oder sie erwähnen noch die Liste der Art Basel und die grosse, eckige, leicht grünliche Treppe, die das Frontgebäude ziert und die einzelnen Stockwerke von aussen zugänglich macht. Dass der Werkraum Warteck pp noch mehr auf Lager hat, war mir nicht bekannt. Was also steckt hinter diesen alten, steinernen Mauern der ehemaligen Brauerei?
«Werkraum steht für das Miteinander verschiedener Projekte, Betriebe und Menschen unter einem Dach. Warteck heisst das Gebäude, die alte Brauerei des gleichnamigen Bieres. pp bedeutet permanentes Provisorium und steht für Veränderung und Entwicklung.»,
steht gross auf der Startseite ihrer Homepage geschrieben.
Jelïn kommt angeradelt. Wir setzen uns auf die Probebühne Cîrqu’enflex, ein mietbarer Proberaum für Theater, Tanz und weitere Projekte, welcher sich im ersten Stock des Wartecks befindet. Dort wollen wir uns besprechen. Stattdessen treffen wir auf Fabian. Er ist seit den Anfängen des WWpp dabei und verwaltet unter anderem das Cîrqu’enflex. Wir beginnen ein Gespräch, in welchem er uns die Entstehungsgeschichte des Werkraums Warteck erzählt und uns die Idee, die hinter dem WWpp steht, erklärt. Unter anderem erwähnt er auch ein Leitbild für die “Bewohner” des Hauses, wie die Mieter der Räumlichkeiten genannt werden.
Nachdem die AG Bierbrauerei zum Warteck B. Füglistaller Nachfolger 1990 die Produktion auf dem Areal nähe des Wettsteinplatzes eingestellt hatte, verfolgte der Architekt Roger Diener die Vision, die alte Brauerei durch Umnutzung der Räumlichkeiten zu erhalten. Am 24. Mai 1994 entstand der Verein Werkraum Warteck pp. Mittlerweile liegt das Baurecht beim Verein und das Gelände steht unter Denkmalschutz. Die Mieter der Räumlichkeiten entscheiden im Plenum darüber, was auf diesem Areal passiert und wirken so aktiv an ihrer Umgebung mit.
Heute ist das WWpp Heimat von ca. 35 Projekten aus diversen Bereichen. Darunter unter anderem eine Schreinerei, eine Schlosserei, Restaurants, die Rubinia Djanes Schule für Frauen, diverse Ateliers mit bildenden Künstlerinnen und Künstlern, die Probebühne Cîrqu’enflex, Fotografiestudios, Bandräume, Tanzstudios, ein Figurentheater, eine Druckwerkstatt, der Nachthafen, welcher eine mietbare Unterkunft im Haus mit Kochmöglichkeit ist, eine Velowerkstatt und vieles mehr. Die Liste ist lang. Das Warteck soll ein Begegnungsort sein. Ein Ort, an welchem verschieden Sparten wie Kunst, Kultur und Handwerkliches, kommerziell und privat aufeinander treffen und sich austauschen. Sie sollen gemeinsam das Warteck gestalten und einen Ort schaffen, an welchem man sich ausleben kann. Ganz unter dem Motto:
«zusammen arbeiten, zusammen leben».
So steht es im Leitbild.
Jelïn und ich sind mitgerissen von den Prinzipien des Wartecks. Fabian gibt uns eine Tour über das Gelände. Er führt uns durch die scheinbar endlosen, verwinkelten Gänge des Kesselhauses, wie sich der linke Teil des Gebäudekomplexes nennt, in welchem sich unter anderem die Schlosserei und das SUD befinden. Es riecht nach Farbe und Metall. Wir steigen bunt bemalte Treppenhäuser im Inneren hinauf, gehen an einem Raum vorbei, in dem Mütter und Väter mit ihren Babys und Kleinkindern spielen - der BURG Quartiertreffpunkt Wettstein. Im ersten Stock zeigt er uns die alte Druckerei Druckwerk, in der wir uns mit Marcel, ihrem Leiter, unterhalten. Der Raum ist voller alter Maschinen für diverse Druckmethoden und er ist einer der wenigen, die sie noch bedienen kann. Die alten Mauern geben eine ruhige und wohlwollende Atmosphäre ab.
Am Ende eines langen, niedrigen Ganges liegt hinter einer dicken Tür der Stille Raum – ein Raum, in welchem unter anderem Meditationen stattfinden. Durch eine Hintertür führt Fabian uns in die Cantina Don Camillo, in der gerade die Tische für den Abendbetrieb gedeckt werden. Überall stehen Kerzen und es riecht nach frischer Pasta. Nach der Tour verabschiedet sich Fabian von uns. Jelïn und ich gehen hoch in die Kulturbeiz 113, die sich ganz oben im rechten der beiden Türme befindet, und trinken ein Bier. Wir stehen auf der Dachterrasse und schauen über Basel. Beim Gedanken daran, was das Warteck alles zu bieten hat, werden wir euphorisch. Aber auch wenn das Konzept vielversprechend scheint, wurde im Verlauf des Gespräches mit Fabian klar, dass es hier auch Probleme gibt.
Was sind das für Probleme die ein solches Zusammenleben mit sich bringt und wie gut funktioniert dieses Gemeinsam gestalten und austauschen wirklich? Warum hört man so wenig über das Warteck? Werden die Möglichkeiten, die dieses Areal bietet, auch wirklich genutzt? Wir haben Fragen und die Einzigen die sie uns beantworten können, sind die Bewohner des WWpp. Wir haben uns mit einigen von ihnen über den Alltag auf dem Warteckareal unterhalten. Was sie uns erzählt haben erfahrt ihr am 5. Februar im zweiten Teil unserer Beitragsreihe.
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