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  • AutorenbildMax Kaufmann

Der Wasserflaschen-Wahn



Illustrationen: Jan Pulfer


In der Universitätsbibliothek gibt es zwei Gruppen von Studierenden: jene mit und jene ohne Wasserflaschen. Die Betonung auf Wasser ist wichtig, spannenderes ist nicht gestattet. Als ich neulich mit dreistündiger Lektüre über Internationale Beziehungen im Lesesaal sass, beschlagnahmte die Aufsicht den halbvollen Eisteekarton meines Nachbarn. Hätte sie doch gleich sämtliche Trinkflaschen konfisziert. Die aus Metall zumindest.


Während ich mit jedem Satz der Lektüre den Glauben an ein funktionierendes internationales Zusammenleben ein wenig mehr verlor, wuchs die Dankbarkeit für meine Kopfhörer mit jedem Schluck, den irgendwer aus einer Flasche nahm. Bei jedem Öffnen – also mindestens einmal pro gelesener Vorlesungsfolie – klirrte es, wie wenn mein Mitbewohner Schlagzeug übt. Dann wurde ausgiebig getrunken, dass es nur so gluckste. Als wäre man beim “Flunkyball” und zwischen deinem Team und dem Sieg steht nur noch ein letztes Bier. Nur ein Rülpsen zum Schluss fehlte noch.


Beim Verschliessen schepperte es wieder – dann wurde mit derselben Intensität weitergelernt, mit welcher der Deckel alle fünf Minuten aufgerissen und zugeschraubt wurde. So als ginge es darum, denen nebenan mit jedem Schluck zu zeigen, wie gross der eigene “Hustle” ist. Vielleicht irre ich mich aber auch und das Kampftrinken dient nur dazu, auf die 3,5 Liter Wasser am Tag zu kommen, die Pamela Reif oder wer auch immer als Wochenziel gesetzt hat.

Ganz unpassend in dieser beflissenen Stimmung musste ich an einen Witz denken, den unser Deutschlehrer am Gymnasium riss, wenn jemand eine Trinkflasche auf dem Tisch stehen hatte. Dieser fragte an der Flasche riechend: Wasser oder Wodka? In der Unibibliothek passiert das nicht – nicht erlaubterweise zumindest. Siehe die Beschlagnahmung des Eistees oben.


Noch vor diesen Zeiten am Gymnasium, mit 13 oder so, haben wir uns anhand der Turnschuhe – Nike gegen Geox – schubladisiert. Dasselbe geschieht jetzt mit den Wasserflaschen: Neben den Metallflaschen gibt’s eine Nestlé-Fraktion mit Plastik von S. Pellegrino oder Vittel (mucksmäuschenstill immerhin). Und dann noch die mit “Club Mate”-Flaschen, die beweisen, dass bereits leere Glasflaschen einen alternativ-kreativen Vibe versprühen können.


Anstatt zu lesen, versuchte ich mich selbst einer dieser Fraktionen zuzuordnen. Die anderen um mich herum klickten sich hingegen weiter fleissig – gut hydriert halt – durch ihre Vorlesungen. Weil es in der Bibliothek gefühlte 25 Grad ist mit einem CO2-Anteil von 75 Prozent in der Luft, gab ich irgendwann nach. Beim Trinken vom Wasserhahn auf der Toilette versiffte ich mir meine Maske – und kam tags darauf mit einer eigenen Flasche.






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