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  • AutorenbildClaire Flury

„Gömmer mol uf e Kaffi?“

Viele gute Geschichten haben ihren Ursprung nachts in irgendeiner beliebigen Bar aus irgendeinem Jux heraus. Die Geschichte, die mir Pia Zibulski und Elena Blumenbach hier im Solitudepark zu erzählen haben, beginnt ähnlich. Ersetze man die rauchige Bar durch die populäre Bäckerei Kult und fügt zwei junge motivierte Gestalter*innen mit dem Willen zu Veränderung hinzu, führen die Spuren zur Gründung des Kollektivs „Filum.



Vor uns auf der Wiese liegt ein blauer Papiersack. Elena hat uns nicht nur viel Erzählbares, sondern auch gleich ein Stück Basler Gold mitgebracht. Der Anblick dieses beliebten Gebäcks lässt die beiden direkt in Nostalgie schwelgen.

Im gleichen Quartier gross geworden, haben sie sich schon lange gekannt. Befreundet seien sie nie gewesen, haben sich aber immer sympathisch gefunden.

Da sich die Wege unserer Generation ja bekanntlich längst nicht nur physisch, sondern vor allem auch online kreuzen, kamen auch Pia und Elena durch Instagram vermehrt ins Gespräch. So kam es, dass die von immer neuen kreativen Projekten und Ideen getriebene Pia im Februar 2018 einen Aufruf auf Instagram startete. Ihre Idee: Jutebeutel mit meinungsstarken Aufschriften und Bildern von lokalen Designer*innen. Diese hatte sie selbst schon eine Weile für sich und ihre Freund*innen angefertigt.

Zur gleichen Zeit bestickte Elena regelmässig ihre ersten Stofftaschen mit One-Line-Motiven, auf die auch Pia aufmerksam geworden war. „Meinsch das könnt me zemme due?“, fragte Pia in der Nachrichtenfunktion des sozialen Netzwerks, nachdem Elena ihre Begeisterung für die Idee ausgedrückt hatte. „Jo voll. Das wär den à la vo de Region fürd Region!“, und schon war die Idee eines Künstler*innenkollektivs geboren.

Gleich beim ersten Treffen in der sagenumwogenen Bäckerei haben sie sich nach ausgiebigem „googletranslaten“ für den Namen „Filum“ entschieden. Übersetzt aus dem Lateinischen bedeutet es „der Faden“, welcher sich nun seit zwei Jahren mit immer mehr Mitgliedern und Fans des Kollektivs verstrickt.



Beide grinsen mich an, wenn sie über die naiven Anfänge und die sprudelnde Begeisterung der Gründer*innenzeit sprechen. Es habe sich sehr vieles verändert in den zwei Jahren, die das Kollektiv nun bereits hinter sich gebracht hat. Pia habe Elena jedoch immer noch unter „Elena Taschenprojekt“ gespeichert, fügt sie lachend an.

Doch es sollte nicht bei den Taschen bleiben. Schon nach kurzer Zeit fragten die beiden weitere junge Gestalter*innen an.

Wie ein Kollektiv funktioniert, mussten sie jedoch zunächst herausfinden und für sich definieren. Klein aber fein sollte es sein. Nicht das Geld sondern viel mehr die Plattform für Künstler*innen sollte im Vordergrund stehen. Nach dem Motto des Lustprinzips soll jede*r beisteuern, was man kann und will. Mit dieser vagen Idee begegneten sich die ersten vier Mitglieder Pia, Elena, Salphinah und Sophie im Sommer des Jahres 2018 das erste Mal.

Als Kick-Off Event, um ihre Plattform nicht nur online, sondern auch offline zu präsentieren, nutzte das junge Kollektiv den Wettsteinflohmi, den sie bis heute als eines der schönsten Erlebnisse in Erinnerung behalten. Das erste Mal sei man persönlich mit vielen Menschen ins Gespräch gekommen, die einen bis anhin nur online unterstützt hätten. So seien sich nicht nur die Gestalter*innen selbst näher gekommen, sondern auch die Unterstützer*innen des Kollektivs seien ein grosser Teil davon geworden.



Beflügelt von diesem Austausch folgten mehrere Events, an denen unter anderem Illustrationen, Schmuck, Zines und - natürlich - Jutebeutel mit Filum-typischen Motiven in Umlauf gebracht wurden. Auf künstlerischer Ebene sei der „Markt der schönen Dinge“ im Sommercasino ein weiteres Highlight gewesen. Man hätte sich als ernstzunehmendes Kollektiv präsentieren und viele Kontakte knüpfen können. „Vill hän gmeint, mir bastle eifach e bizli ume“, fügt Pia an. Bei den verschiedenen Märkten hätten sie aber zeigen können, was sie als Filum bereits alles geschaffen hätten und worin ihre Überzeugungen gründen. Viel positive Resonanz zu ihrem Auftritt im Sommercasino habe sie in ihrem Schaffen bestätigt.

Im folgenden Jahr entwickelte sich das Konzept stets weiter. Es sei immer fluid gewesen; einerseits was die Mitglieder, anderseits was die Zusammenarbeit als Kolletiv betrifft, erwähnt Elena. Dies sei auch der Grund, weshalb viele Gestalter*innen nur kurz Teil von Filum waren, andere aber mittlerweile zum harten Kern gehörten. Dass ein Kollektiv viel Arbeit und Kommunikation bedeutet, wurde ihnen schnell bewusst. Ein gemeinsamer Konsens gestalte sich bei unterschiedlichen Meinungen und Ansätzen nicht immer ganz so leicht, meint Elena.

Als wachsendes Kollektiv verbrachten sie ein sehr bereicherndes und erfolgreiches erstes Jahr, welches im März 2019 in einer gebührenden Geburtstagssause endete. Von einem Kleidertausch über die Stände ihrer Produkte sowie gemütlichem Beisammensein war alles dabei. Elena fügt stolz an: „Ich bi glaub de ganz Tag mitemne riese Grinse umegrennt“. Endlich konnten sie auf die Fragen „Wer versteckt sich hinter den Zahlen von Instagram?“ und „Wo ist unsere Kunst gelandet?“ durch die vielen persönlichen Gespräche und Feedbacks eine Antwort finden. Das Kollektiv wäre ohne die Menschen, die Events und die Unterstützer*innen nicht das, was es sei, beteuern die beiden.



Die Hauptkommunikation bei Filum blieb aber weitgehend online. Dies ist vor allem auch dem Umstand geschuldet, dass sich nun auch vermehrt überregionale und sogar internationale Mitglieder am Kollektiv beteiligen. Beim Stöbern durch den Instagramfeed findet man Schmuck von Sophie aus Luzern, Kunst von Salome aus Bern sowie Stickereien von Elena aus Den Haag, wobei Basel immer das Herz des Kollektivs bleibt.



Das Profil wird von den Mitgliedern, allen voran Elena und Pia, liebevoll kuratiert. Als Follower*in erhält man einen ästhetischen Überblick über die Kunst, die Events und die Personen, die dahinter stecken. Aufwändig gestaltete Portraits über Künstler*innen wechseln sich mit deren Werken ab. Immer wieder tauchen auf Instagram die stimmungsvollen Bilder des Kollektivs auf und erinnern daran, dass dort reges Gestalten herrscht. Auch auf Kernthemen der Gestalter*innen wie beispielsweise den Klimawandel, Feminismus und die Unterstützung lokaler Labels wird regelmässig aufmerksam gemacht.


Von links nach rechts: Schmuck von Sophie, Zeichnung von Salphinah, Illustration von Pia, Kunst von Salome, Stickerei von Elena



Doch nicht immer geht es hinter den Kulissen so harmonisch wie im Instagramfeed zu und her. Auch schwierigere Zeiten, vor allem im letzten Jahr, regten die Gründer*innen und Mitglieder zum Nachdenken an. Nach wenig erfolgreichen Märkten ausserhalb von Basel und Unstimmigkeiten im Team war die Ernüchterung gross. Was im ersten Jahr scheinbar problemlos klappte, wollte im zweiten partout nicht funktionieren. Das Kollektiv musste ihre interne Organisation überdenken und sich neu aufraffen. "Wer hat überhaupt noch Lust? Wie viel Aktivität braucht es? Wie strukturieren wir uns?" All diese Fragen mussten nun beantwortet werden. Die Angst vor dem Scheitern und die Frustration über diese Schwierigkeiten war gross, konnte aber durch neue Motivation und viel Herzblut überwunden werden. Sie hätten sich in ihrer Feedbackkultur geübt und gelernt, mit Veränderungen umzugehen. „Man muss spannend bleiben, und das ist schwierig“, fügt Pia nachdenklich an. Sie hätten aber nun für sich einen Weg gefunden, positiv in die Zukunft zu blicken und neue Formate auszuprobieren. So steht beispielsweise eine Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen in den Niederlanden sowie eine eigene Patreon-Seite auf dem Programm. Auch weitere lokale Events in Basel sind geplant. Ganz nach dem Motto „Go with the flow“ wollen sie sich spontaner und unverkrampfter entwickeln als zuvor. Sie hätten gelernt, nicht zu viel zu wollen und dass mit der richtigen Energie auch das Richtige zurück käme. Mit viel Freude und Leichtigkeit widmen sich die Künstler*innen von Filum nun ihren Projekten. Mit ihrem neusten Mitglied Salome aus Bern bilden sie momentan eine Gruppe bestehend aus fünf Frauen. „Wenns klappt, klappts, wenn nid, denn nid“, meint Pia mittlerweile gelassen.

Man darf also gespannt sein, was das lebendige Kollektiv noch alles auf die Beine stellen wird!


Gute Laune und viel Tatendrang beim Filum Kollektiv

Bis dahin erfreue ich mich an den Jutebeuteln, die zuweilen an einer Schulter baumelnd in Basels Gassen an mir vorbeiziehen!

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