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  • AutorenbildJuno Peter

Ja, ich will – vielleicht?


Illustration: Janik Bruschi

Aus gegebenem Anlass schicke ich euch Post aus dem Urlaub

Bei meinem letzten Besuch in der Schweiz sass ich mit zwei meiner besten Freundinnen an der Aare: Die eine jagte ihrem Welpen hinterher, die andere lag mit ihrem Freund, mit dem sie gerade zusammengezogen ist, auf der Wiese. Während ich sie so betrachtete, wurde mir klar: Wir sind erwachsene Menschen.


In einem Monat werde ich 24 und dann bin ich nicht mehr Anfang, sondern Mitte zwanzig. In meinem Umfeld beginnen Paare zusammenzuziehen, legen sich Hunde zu, wandern aus, die ersten kriegen Kinder und auch in meiner Familie ist die nächste Generation auf dem Weg. Alles Dinge, die die meisten erwachsenen Menschen tun und die bei vielen zu ihrem Lebensentwurf dazugehören. Nur etwas ist noch nie passiert: eine Heirat. Keine*r meiner Freund*innen hat bisher geheiratet und so wie es aussieht, haben es die meisten auch nicht vor. Weder Linksversiffte noch gutbürgerliche Bekannte wollen vor dem Staat die ”ewige Liebe” schwören. Vielleicht liegt es an den Kreisen in denen ich mich bewege- who knows.


Diese Thematik hat mich bisher nie gross beschäftigt. Ich war nie die Person, die von einer grossen Hochzeit träumte oder sich selbst im weissen Kleid zum Altar schreiten sah. Im Grossen und Ganzen ist es mir so ziemlich egal, ob ich mal heirate, ob du heiraten willst, irgendwer heiratet oder niemand jemals mehr heiraten wird. Die Abstimmung am 26. September zur ”Ehe für alle” hat mich jedoch indirekt dazu gezwungen, mir Gedanken über das Thema Heirat zu machen.


Zum ersten Mal ist mir bewusst geworden, dass ich als queere Person nicht die gleichen Rechte habe wie die Menschen in meinem Umfeld. Zum ersten Mal ist mir die Diskriminierung gegenüber nicht-heterosexuellen Paaren, die vom Schweizer Staat ausgeht, bewusst geworden. Ich weiss nicht, warum es mir nicht schon früher aufgefallen ist. Es ist mir schon lange bewusst, dass es Diskriminierungen des Staates gegenüber nicht-hetero Menschen gibt. Wahrscheinlich habe ich bisher aber verdrängt, dass auch ich zu den Betroffenen gehöre. Diese Erkenntnis hat mich in diesem Moment unglaublich traurig gemacht.

Was ist, wenn ich in den nächsten Jahren die Liebe meines Lebens treffe und sie zufällig eine Frau ist oder bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugeschrieben bekommen hat? Ich dürfte sie nicht heiraten. Auch wenn ich nicht weiss, ob ich überhaupt jemals heiraten wollen würde – der Fakt, dass ich es nicht dürfte, macht mich unglaublich hilflos. Warum dürfte ich die Frau, die ich liebe, nicht heiraten, mein Bruder aber darf das? Warum ist meine Liebe weniger wert als die einer Hetero-Person?


Das Absurdeste am ganzen ist ja auch die Zweigeteiltheit, die dieses Verbot für Bi- oder Pan-Sexuelle mit sich bringt. Der Staat sagt ganz offen: ”Ein Teil deiner Liebe, der Hetero-Part, ist voll gut. Den akzeptieren wir. Den anderen, den Homo-Part, den lieber nicht.”

Was soll diese Doppelmoral bitte?


Die anfängliche Trauer hat sich im Verlauf dieses Gedankenprozesses weiterentwickelt. Jetzt macht es mich wütend. Diese Gedanken, diese Situation – es macht mich unglaublich hässig.

Wahrscheinlich seid ihr die falschen Ansprechpartner*innen für das, was jetzt kommt, denn ich glaube ihr VIRAL.-Lesenden seid nicht nur mega schön und schlau, sondern auch aufgeklärt genug, dass es für euch ausser Frage steht, am 26. September ”Ja” zur Ehe für alle zu stimmen. Als Hetero-Person, die selbst nicht betroffen ist, solltest du dich vielleicht lieber deiner Stimme enthalten, als “Nein” zu stimmen. Vielleicht ist das eine unpopular opinion, aber jedes ”Nein” zeigt mir und tausenden anderen Menschen in der Schweiz, dass unsere Liebe weniger Wert ist als eure. Und dieses Gefühl zu bekommen, hat niemand verdient.

Also: Stimmt “Ja”, oder lasst es ganz bleiben. Jede*r, die*der “Ja” stimmt, kriegt auch sofort gutes Karma und ist mega cool und schön. Aber das versteht sich ja von selbst.


Bisous aus dem schönen Italien.


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